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Über Konfliktverhalten, Konflikt-Typen und Konfliktlösungen
Wie verhältst Du Dich eigentlich in Konflikten? Wie gehst Du damit um, wenn Dich jemand ärgert, Du Dich verletzt oder zurück gewiesen fühlst? Wenn Dein Partner, Dein Kind, eine Freundin oder Dein Chef anderer Meinung ist als Du?
Ziehst Du Dich eher zurück oder gehst Du öfter auf Konfrontation? Oder versuchst Du, Konflikte und damit Disharmonie von Beginn an zu vermeiden und bist stets um Ausgleich und Harmonie bemüht?
Wie Du Dich in Konflikten verhältst, hängt sicher auch ab von Deinem Gegenüber, also von der Qualität der Beziehung, die Ihr miteinander habt. Mit Deinem Kind gehst Du bestimmt anders um, als mit dem Nachbarn oder dem Chef.
In diesem Artikel möchte ich die typischen Konfliktmuster aufzählen und dann aufzeigen, wie man sich im Rahmen der Gewaltfreien = Einfühlsamen Kommunikation sinnvoll verhalten kann, um Konflikte zur Zufriedenstellung aller Beteiligten zu lösen.
Ganz besonders wichtig ist mir dabei, den Unterschied verständlich zu machen zwischen einem scheinbar gesunden, aber oft faulen Kompromiss und einer echten, weil für alle bereichernde Win-Win-Lösung.
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Was ist ein Konflikt?
Der Begriff Konflikt leitet sich von dem Lateinischen Begriff Wort „confligere” ab, was so viel bedeutet wie „zusammentreffen“ oder „kämpfen“. Das passiert dann, wenn verschiedene Meinungen aufeinander treffen und ist im zwischenmenschlichen Kontakt unvermeidbar.
Konflikte sind also ganz natürlich. Denn jeder Mensch hat ein Recht auf seine Meinung und die müssen nicht immer zusammen passen. Die Frage ist nur, wie gehen wir mit Konflikten um?
Gut zu wissen: Im Groben kann man zwischen zwei Konfliktarten unterscheiden:
- einem Konflikt innerhalb einer Person = intrapersonaler Konflikt → z.B. Gewissensbisse
- einem Konflikt zwischen zwei Personen, Gruppen oder Staaten = interpersonaler Konflikt
Die Einfühlsame = Gewaltfreie Kommunikation ist hilfreich bei beiden Konfliktarten!
Konflikte sind natürlich. Nur wie lösen wir sie?
Dort, wo Menschen aufeinander treffen, prallen auch unterschiedliche Meinungen und Ansichten aufeinander. Kein Wunder also, wenn es da ab und an zu reibenden und aufwühlenden Auseinandersetzungen kommt.
Die Frage ist also nicht: Wie lassen sich Konflikte vermeiden? Sondern: Wie gehe ich mit Konflikten um?
Wie wir mit einem Konflikt umgehen, ist unterschiedlich. Einfluss nimmt hier neben unserer Lernerfahrung in der Kindheit vor allem auch unsere eigene Persönlichkeit.
Grob zusammengefasst kann man dabei zwischen 3 typischen Konfliktmustern bzw. 3 Konflikt-Typen unterscheiden, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass sich unser Konfliktverhalten von Konflikt zu Konflikt verändern kann.
Wie wir uns in Konflikten verhalten, hängt auch von der jeweiligen Beziehungsqualität mit unserem Konfliktpartner ab. Und auch unsere momentane Stimmung, unser Energielevel und wie wir uns gerade fühlen, beeinflusst immer auch das aktuelle Geschehen.
Die 3 typischen Konflikt-Typen
Typ A = Der Konfliktscheue / Konfliktvermeider
Wer Angst vor Konflikten hat, z. B. weil, er nicht gelernt hat, sinnvoll damit umzugehen und in der Vergangenheit zu schmerzhafte Erfahrungen mit Auseinandersetzungen gemacht hat, versucht Konflikten vermutlich eher aus dem Weg zu gehen. Es gilt den sich anbahnenden Konflikt im Keime zu ersticken oder zu ignorieren. Die Harmonie aufrecht zu erhalten ist das oberste Ziel.
Dabei gibt es drei Möglichkeiten:
- Flucht (Ausweichen, Vermeidung)
- Unterordnung (Anpassung, Nachgeben, einseitige Akzeptanz)
- Delegation (das Problem an eine andere Instanz weitergeben)
In einzelnen Situationen mag es sinnvoll sein, dem Konflikt auszuweichen. Wird dieses Verhalten jedoch zur Gewohnheit bzw. zum einzig verfügbaren Konfliktverhalten, leidet darunter auch die Beziehung.
Wer seine Meinung nicht äußert, seinen Standpunkt nicht vertritt, bringt sich nicht wirklich ein in die Beziehung, bietet seinem Gegenüber keine Reibungsfläche und damit kein Entwicklungspotenzial – das kann schnell langweilig werden.
Wenn man nicht in der Lage ist, für sich und seine Interessen einzustehen, leidet auch der eigene Selbstwert. Das kann zu Verbitterung führen und im schlimmsten Fall in einer Depression münden.
Typ B: Der Durchsetzer oder Krieger = Recht haben um jeden Preis
Den dazu gegensätzlichen Part nehmen die Menschen ein, die sich gerne durchsetzen und auf Biegen und Brechen ihre Meinung verteidigen. Als stilistische Mittel setzt man da schon mal Druck, Schuldvorwürfe oder Beleidigungen ein. Oder aber man greift zu manipulativen Überredungskünsten.
Im Unterschied zu konfliktscheuen Personen wird der Konflikt hier nicht nur wahrgenommen, sondern auch ausgetragen. Ziel ist es, als „Gewinner“ aus der Situation heraus zu gehen. Leider gibt es da, wo es Gewinner gibt, auch immer Verlierer.
Als Konfrontierer, den ich auch gerne als Krieger bezeichne betrachtet man Konflikte also als Chance, die eigenen Interessen durchzusetzen. Bei Auseinandersetzungen versucht er, zu überzeugen und seinen Willen durchzusetzen. Im schlimmsten Fall nimmt er dabei keine Rücksicht auf die Interessen des Gegenübers. Nicht unbedingt ein angenehmer Zeitgenosse.
Wer ständig nur auf seine eigenen Vorteile bedacht ist, steht irgendwann alleine da. Denn sympathisch ist solch ein Verhalten nicht. Je nachdem, auf welche Weise – wie vehement – sich der Krieger versucht durchzusetzen, bekommen andere vielleicht auch Angst vor ihm und sehen ihn als Tyrann und Möchtegern-Herrscher, dem sie lieber aus den Weg gehen.
Typ C: Der Kompromissbereite
Der Kompromisswillige sucht den klassischen Mittelweg zwischen den anderen beiden Konflikt-Typen. Er stellt sich dem Konflikt, ist aber auch bereit, die Interessen des Gegenübers zu sehen. Er ist bemüht um einen Kompromiss = eine Einigung mit Vor- und Nachteilen auf beiden Seiten.
Beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Positionen wird also eine Lösung gesucht, mit der alle Beteiligten leben können. Jeder muss ein paar Abstriche machen, bekommt aber, wenn möglich auch einen Teil seines Wunsches erfüllt.
Klingt fair und gerecht, oder? Ist aber auch nicht die sinnvollste Lösung.
Denn oft haben Kompromisse einen faden Beigeschmack. Denn bei einem Kompromiss bekommt keiner der Beteiligten wirklich das, was er möchte, sondern jede Seite muss in der Regel Zugeständnisse machen.
Da wird aus dem scheinbar so gesunden Kompromiss schnell ein „fauler“ Kompromiss, der sich nicht wirklich stimmig anfühlt.
Zum Glück gibt es aber noch eine Alternative, die allerdings nur wenig bekannt ist, da sie in Schule, Familie und später im Berufsleben gewöhnlich nicht gelehrt wird.
Konflikte sinnvoll lösen mit der Konsens-Lösung = Win-Win -> Bedürfnis-Erhellung vor Lösungssuche!
Bei der Kompromisssuche geht es ziemlich schnell um das Auffinden geeigneter Lösungen, die wieder Frieden in die Situation bringen sollen. An sich scheint das ein vernünftiger Weg. Allerdings müssen so die Parteien oftmals Abstriche machen.
Solche Lösungen werden leicht zu „faulen“ Kompromissen, mit denen sich keiner richtig wohl fühlt, vor allem, wenn diese durch Außenstehende, also nicht direkt am Konflikt betroffene Personen festgelegt werden.
Auch sind die Abstriche, die ein Kompromiss verlangt, nicht immer nötig, wenn man vor der Lösungssuche noch einen Schritt dazwischen schiebt: Die Erhellung der eigentlichen Bedürfnisse.
Um dies zu verdeutlichen, ein Beispiel:
„Der Orangen-Fall“ als Beispiel zur sinnvollen Konfliktlösung
Zwei Schwestern streiten sich lauthals in der Küche um die letzte Orange. Der Streit könnte folgendermaßen enden:
a) Eine Schwester gibt der Harmonie Willen nach und überlässt ihrer Schwester die Orange. Sie selbst geht leer aus. = Harmonie-Süchtige / Konfliktscheu
b) Keine der Schwestern gibt nach, aber eine ist überlegen, argumentiert besser oder erpresst die andere. Sie nimmt sich die Orange und die andere steht mit leeren Händen da. = Die „Ich setz mich durch“-Variante
c) Den Eltern wird der Streit zu bunt. Sie wollen Ruhe. Sie nehmen ein Messer und schneiden die Orange in der Mitte durch. Jede der Schwestern bekommt eine Hälfte der Orange. = die scheinbare faire Kompromisslösung
Betrachten wir uns nur diese 3 Alternativen, scheint die Letzte wirklich die Gerechteste.
Vorherige Erhellung hätte weitere Lösungsoptionen ergeben
Hätten sich die Eltern oder auch die Schwestern, die Zeit genommen zu hinterfragen, warum jede Einzelne von ihnen die Orange wollte, dann wäre herausgekommen:
Eine der Schwestern fühlt sich geschwächt und möchte einer Erkältung mit frisch gepresstem Orangensaft und den darin befindlichen Vitaminen vorbeugen. Die andere Schwester ist auf einen Geburtstag eingeladen und möchte für das Geburtstagskind einen Kuchen backen. Dazu benötigt sie geriebene Orangenschale.
Eine Schwester bekommt den Saft der ganzen Orange und die andere die Schale der ganzen Orange.
Kein fauler Kompromiss, sondern eine sogenannte Win-win-Lösung für alle Beteiligten. Jede der Schwestern bekommt, was sie wollte ohne faule Kompromisse.
Fazit: Sinnvoll Konflikte lösen = Win-win-Lösung durch Bedürfnis-Klärung
Lösungen, die auf dem Blickwinkel der Positionen getroffen werden (hier: „Orange haben wollen“), führen schnell zu übereilten Kompromisslösungen, bei der alle Beteiligten Einbußen machen müssen.
Die Erhellung der Bedürfnisse (hier: „Saft, um Krankheit vorzubeugen“ und „Schale, um Kuchen zu backen“) helfen, uns einen größeren Blickwinkel zu erlangen, um so Lösungen zu finden, die für alle optimal sind.
Und auch, wenn eine solch eine klassische Win-Win-Lösung in der Praxis nicht immer möglich ist, so hoffe ich doch, dass durch das Beispiel klar wird, wie wertvoll und wichtig es ist vor der eigentlichen Lösungssuche die Bedürfnisse aller am Konflikt Beteiligten zu erhellen.
Denn so kann aus einem „faulen“ Kompromiss eine für alle Beteiligten bereichernde Win-Win-Lösung werden!
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 5. November 2010 und wurde zuletzt überarbeitet m 6. Februar 2023.
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