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Vom konstruktiven Umgang mit Wut und Ärger
Geht es Ihnen auch manchmal so wie mir: Ich ärgere mich über das unachtsame Verhalten meines Partners, der seine Sachen in der Wohnung liegen lässt, ich könnte mich aufregen über den rücksichtslosen Autofahrer hinter mir oder über die nervige und unnütze Bürokratie mit all ihren Regeln und Vorschriften wütend den Kopf schütteln.
Wut und Ärger begleiten uns fast täglich und machen uns das Leben nicht gerade einfacher. Doch gibt es eine Möglichkeit, solche Gefühle hinter uns zu lassen? Ja, die gibt es wirklich.
Mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation habe ich gelernt, aufkommende Gefühle wie Wut oder Ärger als eine unglückliche Sprache meines Denkens zu entlarven und mit den tiefer liegenden Gefühlen dahinter in Kontakt zu kommen.
Die 4 Schritte der GFK – Eine Einführung in die Einfühlsame / Gewaltfreie Kommunikation
So lässt sich eine unbändige Wut vielleicht in Verzweiflung und Frustration wandeln und ein überschäumender Ärger in Trauer und Hoffnungslosigkeit.
Das mag zwar auf den ersten Blick nicht gerade angenehmer erscheinen, bringt uns aber in Kontakt mit unseren zur Zeit unerfüllten Bedürfnissen. Ein erster Schritt, um diese zu befriedigen und Heilung zu erfahren.
Was die Wut uns sagen will
Wenn wir wütend oder ärgerlich werden, dann schieben wir die Ursache für diese Gefühle meist auf das Verhalten anderer.
Mein Partner ist Schuld, dass ich mich schlecht fühle, weil er die Küche nicht aufgeräumt hat, unser Kind ist für unseren Ärger verantwortlich, weil es seine Hausaufgaben nicht machen will oder es liegt an unseren Kollegen, die vorzeitig Feierabend machen und uns mit der restlichen Arbeit allein lassen.
Ein erster Schritt für einen konstruktiven Umgang mit Wut und Ärger liegt jedoch darin zu erkennen, dass nicht das Verhalten anderer für unsere Gefühle verantwortlich ist, sondern das, was wir über deren Verhalten denken.
Ich bewerte das Verhalten meines Partners als rücksichtlos und unachtsam, mein Kind als faul und undiszipliniert, und meine Kollegen als unfair und egoistisch.
Auch wenn wir unser Denken für gerechtfertigt halten, liegt der Grund für unsere Gefühle allein in unserem Denken und nicht in dem Verhalten der anderen. Hätten wir gelernt, statt in Verurteilungen und Beschuldigungen zu denken, bei unseren nicht erfüllten Bedürfnissen zu bleiben, wenn jemand anders handelt, als wir es für richtig betrachten, dann würden ganz andere Gefühle zum Vorschein kommen.
Was fehlt mir, wenn mein Partner die Küche nicht aufräumt? Welches Bedürfnis bleibt unerfüllt, wenn mein Kind seine Schulaufgaben nicht machen möchte und nach was sehne ich mich, wenn meine Kollegen Aufgaben liegen lassen, die ich dann tun muss?
Im ersten Beispiel wünsche ich mir vielleicht mehr Gleichberechtigung bei der Aufteilung der Hausarbeit oder sehne mich nach mehr Rücksichtsnahme.
Im Hausaufgabenfall sehe ich vielleicht die Zukunft des Kindes gefährdet und mache mir Sorgen, habe also ein Bedürfnis nach Sicherheit. Andererseits mag mich die ständige Kontrolle auch überlasten und ich sehne mich nach mehr Selbstständigkeit meines Kindes.
Und im Beispiel mit den Kollegen wünschte ich mir mehr Toleranz gegenüber meinen Bedürfnissen und würde eine klare Absprache der Aufgabenverteilung begrüßen.
Was auch immer dahinter stecken mag, wenn wir von den verurteilenden Gedanken über die anderen ablassen und uns stattdessen mit unseren nicht e füllten Bedürfnissen verbinden, wird schnell klar, was wir eigentlich von unserem Gegenüber bräuchten um uns besser zu fühlen.
Und sicherlich leuchtet jedem unter Ihnen ein, dass ein:
„Wenn ich sehe, dass die Küche noch nicht aufgeräumt ist, fühle ich mich frustriert und niedergeschlagen, weil ich mich gerne auf unsere Absprachen verlassen möchte. Mir ist eine gleichberechtigte Verteilung der Haushaltspflichten sehr wichtig und ich wünschte mir, du könntest mir sagen, was dich bislang davon abgehalten hat, heute die Küche aufzuräumen?“,
die Situation besser klären kann als ein „Das ist ja mal wieder typisch für dich, dass du die Küche nicht aufgeräumt hast. Was bist du nur für ein egoistisches und rücksichtloses Wesen?!“.
Natürlich ist es nicht leicht, in Momenten aufkommender Wut erst einmal tief durchzuatmen und statt unseren Unmut wie gewohnt in Anschuldigungen und Kritik am anderen herauszulassen, nach innen zu gehen und nach unseren unerfüllten Bedürfnissen und verletzten Gefühlen Ausschau zu halten. Doch lohnen tut sich so eine Vorgehensweise allemal.
Wenn wir bereit sind, statt unserer Wut unsere unerfüllten Bedürfnisse und Verletzungen offenzulegen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der andere hört, was mit uns los ist. Bleiben wir dagegen dabei den anderen anzuschuldigen oder die beleidigte Leberwurst zu spielen, erhöhen wir das Risiko für ein gegenseitiges Hin-und-Herschieben von Verurteilungen und Anschuldigungen.
Wir spielen dann das „Wer-hat-Recht“-Spiel und unabhängig davon, wie es ausgeht, trägt ein solches Spiel nicht gerade zu einem bereichernden Miteinander bei. Im Gegenteil, wer lange genug dieses Spiel miteinander spielt, der fördert das Entstehen von Distanz und einer unterschwelligen Wut. So wird aus Liebe und Zuneigung eines Tages Hass und Ablehnung. Doch das muss nicht sein.
So gehen Sie konstruktiv mit Ihrer Wut und Ihrem Ärger um
Atmen Sie bei aufkommenden Gefühlen wie Wut und Ärger tief durch. Machen Sie sich klar, dass nicht das Verhalten des anderen, sondern das, was sie darüber denken, der Grund für Ihre Gefühle ist.
Lauschen Sie dann einen Augenblick nach innen und halten Sie Ausschau nach den Bedürfnissen, die durch das Verhalten des anderen unerfüllt sind und achten Sie auf den Wandel Ihrer Gefühle. Aus Wut und Ärger können so Enttäuschung, Hilflosigkeit, Trauer oder schlicht und einfach Schmerz entstehen.
Fassen Sie nun den Mut, die Verantwortung für Ihre Gefühle zu übernehmen und Ihren Schmerz, statt Ihre Wut mitzuteilen. Beginnen Sie Sätze lieber mit „Ich fühle mich …, weil ich/mir …“, statt „Ich fühle mich …, weil du …“. Überlegen Sie dann, was der andere tun kann, um Ihr Bedürfnis zu erfüllen und formulieren Sie eine klare und gegenwärtigkeitsbezogene Bitte.
Erleben Sie selbst, wie eine solche Vorgehensweise nicht nur Ihre Gefühlswelt wandeln, sondern auch Ihre Beziehungen bereichern wird.
Erfahre mehr über die heilsame Sprache des Herzens in diesem Video oder auf meiner neuen Seite: https://einfuehlsameKommunikation.de
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was wenn sich die Wut gegen einen bestimmtn Umstand richtet und nichts mit einem anderen Menschen zu tun hat? Wenn ich alleine bin und mit dieser Wut umgehen muss? was wenn sich die Umstände nun einmal nicht ändern lassen, wie gehe ich dann mit meiner Wut und meinen Bedürfnissen um, die sich halt nicht erfüllen lassen?
Liebe Petra,
also zunächst einmal gilt es anzunehmen, was ist, also auch die Wut, auch wenn sie sich nicht schön anfühlt. Dann gilt es in einem zweiten Schritt zu erkennen, dass Wut keine Emotion, sondern ein Gefühl ist. Emotionen resultieren aufgrund der Wahrnehmung einer Situation. Gefühle wie Wut sind die Folge unserer Gedanken. Das heißt, wenn wir nicht denken und damit nicht bewerten würden, würden wir Wut nicht empfinden können. Das gilt auch für Ärger. Es kann dann helfen, hinter die Wut zu blicken, was sind die dahinter stehenden Gedanken? Für die Auflösung der Wutgefühle braucht es das Herankommen an die wirklichen Gefühle, die dahinter stehen. Vielleicht bist Du eigentlich enttäuscht, traurig oder hoffnungslos, weil ein bestimmter Umstand sich nicht ändern lässt und ein Teil Deiner Bedürfnisse nicht erfüllt werden kann. Allerdings ist es so, dass sich Bedürfnisse nicht nur auf eine Weise erfüllen lassen, wenn wir also wirklich dahinter kommen, wie wir uns fühlen (also an die echte Emotion hinter dem auf unserem Verstand basierten Gefühl herankommen) und welches Bedürfnis wir haben, dann eröffnen sich meist Wege, wie wir doch noch unser Bedürfnis stillen können.
Ich hoffe, meine Antwort bringt ein klein wenig mehr Klarheit. Für tiefergreifende Antworten bräuchte ich natürlich mehr Einblicke in die genauen Umstände.
Liebe Grüße,
Marion vom Inspiriert-Sein Team
Hallo Marion,
ich bin unlängst darauf gestoßen, dass man zwischen Gefühl und Emotion unterscheiden kann.
So wie du das hier beschreibst, verstehe ich das Entstehen eines Gefühles folgendermaßen:
1) durch Wahrnehmung erlebe ich ein „echtes Gefühl“ = Emotion, zB. traurig, hoffnungslos, enttäuscht
2) es tauchen unmittelbar Gedanken wie zB. „du bist schuld“ auf
3) wodurch wieder unmittelbar ein Gefühl wie zB Wut auftaucht.
Nun kommen mir ein paar Fragen:
*) Woher kommt diese Unterscheidung von Gefühl und Emotion (Literatur?) ?
*) Vielleicht habe ich das falsch verstanden, hast du andere Beispiele? Welche „Gefühle“ kann ich zu den von Gedanken erzeugten Gefühlen zuordnen, welche zu den Emotionen?
*) traurig, hoffnungslos, enttäuscht sind doch auch durch Gedanken erzeugte Gefühle, nicht?
*) Brauche ich also diese Unterscheidung?
Danke für deine Geduld, Stefan
Hallo Stefan,
vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Fragen. Also der Unterschied zwischen Gefühl und Emotion wird vor allem im psychologischen Bereich getroffen, es geht hierbei darum, zu unterscheiden zwischen der Erstwahrnehmung mit unseren Sinnen und dem, was wir mit unseren Gedanken daraus machen. Hunger oder Angst sind idR Primärgefühle ohne die Verfälschung unseres Verstandes. Wut, Ärger oder Schuld hingegen sind häufig erst die Folge unserer Gedanken / Bewertung und damit den Emotionen zuzuordnen. Sehr schön erklärt wird das zB auch hier: http://www.spiriforum.net/artikel/a48-gefuehl-emotion.php.
Ob wir zwischen Gefühlen und Emotionen unterscheiden müssen, liegt sicher im Auge des Betrachters. Im der Gewaltfreien Kommunikation empfand ich es jedoch als sehr erhellend zwischen diesen beiden Formen zu unterscheiden.
Ich hoffe, meine Antwort hilft Dir ein wenig weiter.
Herzliche Grüße,
Marion vom Inspiriert-Sein Team
Hallo, wir haben hier in Nachbarschaft sture und rücksichtslose Leute,die gar nicht einsehen wollen,dass sie nicht machen können was ihnen passt. Leider war schon mal das Ordnungsamt aktiv damit sie es kapiert.Es war eine Weile brauchbar, nun geht es wieder los mit Krawall. Dieses Verhalten schürt wieder Ärger und Wut. Wie soll man nun damit bitte umgehen? Und nein, laute Partys und Leute einladen mag ich überhaupt nicht. mfG
Liebe Sabine,
das scheint wirklich keine einfache Situation zu sein, in Eurer Nachbarschaft und da gibt es natürlich auch keine Patentlösung. Ein erster Schritt wäre es in meinen Augen jedoch mal auf diese Leute zu zugehen und ein Gespräch mit ihnen zu suchen, um zu verstehen, was ihr Bedürfnis ist. Das sollte in einer offenen annehmenden Präsenz geschehen, ohne Verurteilung oder Bewertung. Menschen, die in ihren Bedürfnissen gehört wurden, sind auch bereit dazu, die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu hören, erst dann kann sich ein weg finden, der für alle Seiten bereichernd ist.
Ich hoffe, diese Zeilen helfen Dir weiter und Ihr findet eine Lösung.
Herzliche Grüße,
Marion
Hallo Marion,
Dein Artikel hat mir schon sehr geholfen. Ich habe mich mit meinem Freund gestritten und dann habe ich ihm in einer Kurzschlussreaktion eine Ohrfeige gegeben. Ich war selbst geschockt und habe mich dafür entschuldigt. Mein Freund ist sehr sensibel, hat sogar geweint. Ich habe ihn sehr verletzt. Jetzt habe ich ein sehr schlechtes Gewissen und mache mir viele Vorwürfe. Eigentlich bin ich ein sehr liebevolles und sensibler Mensch. Aber bei meinem Freund bekomme ich Gefühle, die ich vorher nicht hätte. Diese plötzliche Wut. Dann fühle ich mich so hilflos, kann nicht mehr denken und würde am liebsten etwas verschlagen. Ich knalle dann auch immer die Türen. Hast du Tipps wie ich besser mit der Wut umgehen kann? Ich möchte , dass so was nie wieder passiert. Vielen Dank
Emilia
Liebe Emilia,
also zunächst mal vielen Dank für Deine offenen Worte und Dein Vertrauen!
Ich glaube, was Du da schilderst, kennen ziemlich viele Menschen. In meinen Augen suchen wir uns unsere Partner nicht ohne Grund aus. Sondern finden genau zu den Menschen, mit denen es ein großes Heilungspotenzial für unsere emotionalen Verletzungen gibt. Oft geht dieser Weg aber nur dadurch, dass wir uns erst mal die Knöpfe gegenseitig drücken. Daher so viele Verletzungen in Partnerschaften. Es gibt wohl kaum Menschen, die einen tiefer berühren (im angenehmen wie im unangenehmen Sinne) wie der eigene Partner. Es ist daher sehr verständlich, dass Dein Freund bei Dir Gefühle aktiviert, die Du vorher noch nicht hattest.
Für den Fall, dass bei Dir wieder eine solche Wut hochkommt, würde ich empfehlen, den Raum zu verlassen, um Dich räumlich aus der Situation zu ziehen, so gibt es gar keine Gelegenheit mehr, dass Dir die Hand ausrutscht. Beruhige Dich dann erst mal und erst, wenn Du wieder gelassener bist, such das Gespräch mit Deinem Partner. Mach Dir klar, dass er bei Dir Muster anspricht, die vermutlich in frühster Kindheit aktiviert wurden. Das ist ok. Im Idealfall schaffst Du es, schon sobald nur ein Fünkchen Wut/Aggression aufkommt, das Gefühl wahrzunehmen und gar nicht so weit kommen zu lassen, dass es aus Dir raus platzt, sondern zB wegatmen kannst. Das kann natürlich ziemlich herausfordernd sein und wenn Du merkst, dass Dir das nicht gelingt, und Du öfter diese starke Wut bekommst, dann scheu Dich nicht, zu einem guten Berater oder Therapeuten zu gehen, der sich mit solchen Themen auskennt und Dir hilfreiche Tools an die Hand geben kann.
Ich hoffe, das hilft Dir ein wenig weiter. Allein bist Du damit jedenfalls nicht und es ist auch alles in Ordnung mit Dir 🙂
Liebe Grüße,
Marion