Effektives Training muss nicht kompliziert sein
Sind Sie zufrieden mit Ihren Trainingserfolgen? Viele Trainierende kommen mit den „handelsüblichen“ Informationen der Fitnessindustrie nicht mehr weiter. Lesen Sie hier etwas über die Grundlagen eines effektiven Krafttrainings.
Dieser Artikel richtet sich sowohl an erfahrene Athleten, die in einer Trainingssackgasse gelandet sind, als auch an Neueinsteiger. Die Grundlagen einer langfristigen und effektiven Trainingsgestaltung sind und bleiben immer die gleichen. Es passiert sogar häufig, dass fortgeschrittene Trainierende die Grundlagen vergessen oder vernachlässigen und sich zu sehr in eine Richtung spezialisieren. Deshalb ist es auch für erfahrene Sportler immer wieder gut, sich auf die Basics zu konzentrieren.
Krafttraining wird sehr oft mit Bodybuilding oder Fitnesstraining in den gleichen Topf geworfen. Krafttraining ist aber eher eine Methode, die sowohl im Bodybuilding, als auch im Fitnessbereich, sowie im Leistungssport verwendet wird, um die entsprechenden Ziele zu erreichen.
Ein stärkerer Muskel ist definitiv auch ein leistungsfähigerer Muskel, solange das Plus an Kraft funktionell nutzbar ist. Ein stärkerer Athlet ist auch definitiv ein besserer Athlet, wenn er seine Kraft und Stärke so einsetzen kann, wie es in seiner Disziplin erforderlich ist. Ein dickerer Muskel muss hingegen nicht unbedingt ein stärkerer Muskel sein. Das bedeutet, dass jemand der stark aussieht, nicht unbedingt auch über eine große nutzbare Kraft verfügt.
Ein ganzheitliches und funktionelles Krafttraining verbessert die Funktion des Nervensystems in der Zusammenarbeit mit der Skelettmuskulatur. Es steigert die Fähigkeit willkürlich so viele Muskelfasern wie möglich zu aktivieren. Der Schwerpunkt eines Krafttrainings liegt daher in erster Linie in der Verbesserung der Muskel-Nerv-Verbindung.
Es geht darum, die bereits vorhandenen Muskelfasern zu wecken und in die Bewegung mit einzubeziehen. Der Aufbau großer Muskelmasse steht nicht im Vordergrund des Krafttrainings. Oft haben gerade Frauen und Sportler, die in Gewichtsklassen eingeteilt sind, Angst durch Krafttraining zu viel Muskelmasse und Körpergewicht aufzubauen. Im Gegensatz hierzu ist aber gerade ein vernünftig geplantes Krafttraining das Mittel der Wahl, um maximale Muskelmasse zu entwickeln.
Je nach Ziel ist es möglich das Training so zu konzipieren, dass es entweder zu einer maximalen Kraftentwicklung ohne großer Muskelzunahme kommt, oder eben wie im Bodybuilding gewünscht, dass möglichst viel Muskelmasse gebildet wird.
Die Grundlagen
1. Trainieren Sie nicht bis zur Erschöpfung
Irgendwie haben wir alle abgespeichert, man müsse beim Training jeglicher Art bis zur Ermüdung der entsprechenden Funktion trainieren um Erfolge zu erzielen. Vergessen Sie das, das führt zu nichts als Übersäuerung und einer Einschränkung der eigenen Leistungsfähigkeit.
Krafttraining ist in erster Linie ein Training des Nervensystems und dann erst der Muskelfasern. Erst wenn die Kapazität des Nervensystems verbessert wird, kommen auch mehr trainingswirksame Reize in den Muskelfasern an. Das Nervensystem ermüdet allerdings viel früher als die Muskelfasern und benötigt bis zu seiner Erholung 8-12 mal solange. Beenden Sie deshalb jeden einzelnen Durchgang oder Satz einer Übung schon einige Wiederholungen bevor die Erschöpfung eintritt.
2. Das Training muss progressiv gestaltet werden um dauerhaft Erfolge zu erzielen
Wer immer nur das tut, was er kann, wird sich niemals verbessern, das gilt auch fürs Krafttraining. Der Körper gewöhnt sich sehr schnell an gleichbleibende Anforderungen und es kommt zu einem Stillstand. Deshalb sollte das Training so gestaltet werden, dass die einzelnen Parameter wie Trainingshäufigkeit, Volumen, Dauer, Gewichte usw. zyklisch gesteigert und wieder reduziert werden.
3. Fangen Sie jede neue Phase langsam an
Alles neue, seien es neue Übungen, neue Trainingspläne oder spezialisierte Trainingsphasen, sollte man sehr leicht und langsam angehen. Je leichter ich starte, desto größer sind die Möglichkeiten zur Steigerung. Wer direkt mit zu schweren Gewichten trainiert, wird bald stagnieren und keine Fortschritte mehr machen.
4. Machen Sie so wenig wie nötig und nicht so viel wie möglich
Viele verlieren mit der Zeit den Überblick vor lauter Übungen, Wiederholungs- schemata und Spezialisierungsplänen. Dabei lässt sich ein erfolgreiches Krafttraining sehr unkompliziert gestalten. Halten Sie sich an die Grundübungen wie Kniebeugen, Kreuzheben, Klimmzüge, Liegestütze, stehendes Drücken usw. Spezialisieren Sie sich auf die Varianten dieser Grundübungen, mit denen Sie sich am besten fühlen und behalten Sie diese Dinge am besten Ihr Leben lang bei.
Gewichtheber, Kraftdreikämpfer, Geräteturner und Sprinter konzentrieren sich über ihre gesamte sportliche Laufbahn hinweg immer auf dieselben Bewegungen. Die Abwechslung sollte weniger durch einen ständigen Austausch der Übungen erfolgen. Variieren Sie die Sätze, Wiederholungen und Gewichte aber nicht die Grund- übungen.
5. Sich stärker fühlen um stärker zu werden
Wer stärker werden möchte, sollte sich am Ende des Trainings stärker und wacher fühlen als vorher. Das ist Ihr Hauptindikator, ob Sie richtig trainiert haben, oder ob es zu viel war. Das Nervensystem ist nach dem Training aktiviert, vor allem der sympathische Teil des Nervensystems. Dieser macht wach, konzentriert und vermittelt das Gefühl von Energie und Stärke. Wenn Sie sich allerdings zu sehr verausgabt haben, stellt sich hinterher das Gefühl ein richtig platt zu sein.
Versuchen Sie Ihr Training so zu gestalten, dass Sie sich hinterher so fühlen, dass Sie am liebsten gleich wieder trainieren möchten. Koffein regt übrigens auch den sympathischen Teil des Nervensystems an.
6. Trainieren Sie lieber öfter, aber nicht so lange am Stück
Je häufiger die Verbindungen zwischen den Nerven- und Muskelfasern in ihrer Zusammenarbeit geschult werden, desto schneller verbessert sich deren Funktion. Deshalb ist es für einen reinen Kraftaufbau besser, das Training in mehrere Minieinheiten aufzuteilen, als eine lange Einheit pro Woche zu absolvieren.
So könnte man Trainingsschwerpunkte mit einer hohen Frequenz, aber einem niedrigen Volumen in verschiedenen Belastungsstufen trainieren. Sie möchten z.B. Ihre Leistung im Bankdrücken steigern: Anstelle der vielleicht zwei Trainingseinheiten pro Woche teilen Sie dieses Volumen in 5-6 kleine Einheiten auf. Wenn Sie vorher pro Woche 10 Sätze zu je 5 Wiederholungen trainiert haben, teilen Sie nun dieses Gesamtvolumen von 50 Wiederholungen auf fünf Tage auf.
An einem Tag arbeiten Sie mit hohen Gewichten und niedrigen Wiederholungen, an einem anderen ist das Gewicht sehr leicht, dafür vielleicht die Ausführungs- geschwindigkeit hoch.
7. Legen Sie einmal pro Monat eine Entlastungswoche ein
Selbst wenn Sie gute Fortschritte erzielen, eine Woche kürzer treten, fördert die Regeneration von Gelenken, Bändern und Sehnen, und auch das Nerven- und Muskelsystem können ein wenig verschnaufen. Das bedeutet allerdings nicht, sich auf die faule Haut zu legen, ganz im Gegenteil. Denn Inaktivität würde Ihre bisherigen Fortschritte nachteilig beeinflussen.
Deshalb suchen Sie nach Alternativen: Laufen, Schwimmen, Wandern, testen Sie neue Übungen, oder machen Sie etwas völlig verrücktes, etwas, das Sie sonst nicht machen. Auch Gymnastik, Fußball oder Badminton spielen stellen eine gelungene Abwechslung zum Krafttraining dar.
8. Reiner Kraftzuwachs
Wer mehr Wert auf den reinen Zuwachs von funktionell anwendbarer Kraft, als auf den Aufbau von Muskelmasse legt, sollte folgendes beachten: Halten Sie die Wiederholungszahlen pro Satz und im gesamten Training eher niedrig. Die Trainingssätze sollten sich im Bereich von weniger als 5 Wiederholungen befinden. Die Gesamtwiederholungszahl pro Übung oder Muskelgruppe hält man am besten unter 20 Wiederholungen. Verwenden Sie Gewichte von 85 – 100% des Maximalgewichtes.
Wer sein Maximalgewicht nicht kennt und sich scheut es zu bestimmen, kann z.B. ein Gewicht, das höchstens dreimal sauber bewegt werden kann als Basis nehmen. Je nach Tagesform variiert man diesen Widerstand ein wenig nach oben oder nach unten.
9. Kraftzuwachs und Muskelaufbau
Um maximale Muskelmasse aufzubauen, muss das Gesamtwiederholungsvolumen erhöht werden. Gehen Sie wie unter Punkt 8 beschrieben vor, verringern Sie dann das Gewicht soweit, dass mindestens 6 saubere Wiederholungen möglich sind. Mit diesem Gewicht absolvieren Sie am Ende des reinen Krafttrainings 25-50 Zusatzwiederholungen um das Muskelwachstum zu stimulieren.
Wichtig ist auch hier jede Wiederholung und jeden Satz so auszuführen, dass es nicht zur Erschöpfung kommt. 5-6 Wiederholungen pro Satz reichen völlig aus. Ziel dabei ist die letzten Wiederholungen mit fast der gleichen Qualität auszuführen wie die ersten.
10. Sorgen Sie für die nötige Erholung
Die Umbauprozesse im Körper, die zu einer Steigerung von Kraft und Muskelmasse führen, benötigen Ruhe und Nährstoffe. Denn das Training ist nur der Impuls, der der im Körper Prozesse in Gang setzt, welche zu unserem Ziel führen. Nicht das Training selbst führt zum Aufbau, sondern das, was es nach sich zieht. Deshalb ist es wichtig, wenn diese Impulse gesetzt sind, die Aufbauprozesse nicht zu stören, sondern zu unterstützen. Das passiert in Zeiten der Ruhe und Entspannung, wenn die nötigen Aufbaustoffe vorhanden sind.
Achten Sie auf genügend Schlaf, versuchen Sie sich nicht zu viel zu stressen und ernähren Sie sich so natürlich wie möglich. Sie brauchen keine Proteinpulver und Eiweißpillen. Um vernünftig Kraft und Muskulatur aufzubauen reichen 0,8- 1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht völlig aus. Wer etwas anderes erzählt, möchte Ihnen vielleicht etwas verkaufen?
Fazit
Letztendlich ist das richtige Training der Hauptschlüssel zum Erfolg und nicht irgendwelche künstlichen Nahrungsergänzungsmittel. Denn auch hier kommt vor dem Erfolg der Fleiß, denn richtiges Training ist harte Arbeit, von nichts kommt auch nichts.
Das Thema Training ist eine Kunst und Wissenschaft für sich und lässt sich mit Sicherheit nicht in zehn Punkten abhandeln. Aber um ein paar Grundlagen nicht aus den Augen zu verlieren ist es manchmal sinnvoll, alles auf den kleinstmöglichen Nenner zu packen. Vielleicht hilft Ihnen das, Ihr Training zu dekomplizieren und wieder neue Motivation zu schöpfen.
Unsere eBook-Empfehlung:
Funktionelles Bodybuilding
Ein natürlicher Weg zur Entwicklung maximaler Muskelmasse
von Jens Sprengel
Oh wow! Das wusste ich noch garnicht, großes Dankeschön für diesen tollen Artikel!
Auch wenn ich schon ein paar Jahre im Training bin, hat mir das gerade echt weitergeholfen.
Ich habe öfters Schmerzen von Überbelastung und fühle mich nach dem Training häufiger sehr kaputt.
Ich tendiere allerdings auch dazu, zu „übertreiben“ und meine volle Kraft auszuschöpfen.
Vielleicht sollte ich es ein bisschen ruhiger angehen lassen.
Danke für den tollen Artikel!
Oh vielen Dank für die Rückmeldung, über die ich mich sehr freuen.
In der heutigen Zeit haben viele von uns die Tendenz zu übertreiben. Aber mehr ist eben nicht immer besser.
Also viel Erfolg beim Ruhiger-Angehen-Lassen.
VG Jens
Interessante und sehr gute Zusammenfassung der „Essentials“!
Überrascht hat mich die pauschale Empfehlung von ca. 5 Wiederholungen. Siehst du das für jede Übung (z.B. auch Bizeps oder Trizeps) und jede Altersgruppe (50+?) so?
Sportliche Grüße
David
Hallo David,
es ist schon eine Weile her, dass ich diesen Artikel geschrieben habe, mittlerweile würde ich immer erwähnen, dass es mit dem persönlichen Neurotransmitterprofil zu tun hat, in welchem Intensitätsbereich man am besten trainiert.
Ein 5-er Wiederholungsmaximum entspricht ungefähr 85 % der Maximalkraft und gilt für Neurotyp 1A als Mindestintensität, für 1B als gutes Mittelmaß, für 2A und 2B bewegt sich das in Richtung einer höheren Intensität und Neurotyp3 sollte eher leichter trainieren.
Das Gleiche gilt auch für Volumen, Frequenz, Regenerationszeit usw. Im Idealfall passt Du alle Trainingsparameter an Deinen Neurotransmittertyp an. Hierzu biete ich ein spezielles Coaching an, falls Du Interesse hast.
Beste Grüße,
Jens