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Das Boxen der acht Trigramme
Die innere Kampfkunst Baguazhang ist darauf ausgerich- tet mit acht Gegnern gleichzeitig fertig zu werden. Im Vergleich mit den inneren Kampfkünsten Tai Chi Quan und Xing Yi Quan gilt Baguazhang als komplexer, raffinierter und effektiver. Im Verlauf einer Kampfkunstausbildung lernte man in China zuerst Tai Chi Quan, dann XingYi Quan und dann erst Baguzhang.
Bagua: Die wichtigsten Merkmale im Überblick
Die Bewegungen im Baguazhang, kurz Bagua genannt, sind so weich wie im Tai Chi und zugleich so hart und kraftvoll wie im Xing Yi. Bagua ist dreidimensional und basiert auf spiral- und kugelförmigen Bewegungen. Tai Chi dagegen beschreibt einen Kreis, Xing Yi eine Gerade und Bagua eine Kugel.
Ein Baguakämpfer bewegt sich ständig, und kann sehr schnell aus dem Kampfgeschehen verschwinden um dann wie aus dem Nichts hinter dem Gegner auftauchen. Blitzschnell ändert er seine Richtung, täuscht einen Angriff vor und greift plötzlich aus einer ganz anderen Richtung an.
Durch Baguzhang wird der Körper sehr stark und beweglich. Die Meridiane werden durch die speziellen Bewegungen automatisch geöffnet und alle Organe werden optimal mit Chi, der feinstofflichen Lebensenergie versorgt.
Besonderheiten dieser Kampfkunst
Einzigartig in der uns bekannten Geschichte der Kampfkünste ist die Basisübung des Baguazhang: Das Gehen im Kreis.
Das Gehen im Kreis
Der Praktizierende umschreitet dabei einen Kreis, während die Füße, Beine und Hüften in die Laufrichtung des Kreises zeigen und Rumpf, Arme und Kopf zum Mittelpunkt hingerichtet sind. Während der einzelnen Schritte wechseln die Handhaltungen, nach gewissen Schrittfolgen kehrt sich die Richtung um.
Durch dieses wechselseitig, spiralige Verdrehen von Becken und oberem Rücken wird der Körper sehr intensiv trainiert und aufgebaut. Die Beine, der Rumpf und die Schultern werden sehr kräftig und flexibel. Die Wirbelsäule wird stark und beweglich und alle Energiebahnen des Körpers öffnen sich.
Die Zahl 8
Die Zahl 8 spielt eine große Rolle. Baguazhang bedeutet übersetzt acht Handflächen. So durchschreitet man den Kreis in acht Schritten, bei denen jeweils ein Wechsel zwischen acht Handhaltungen stattfindet. Die acht Handhaltungen stammen aus den acht Tierformen, die aber nur noch selten unterrichtet werden. Schritte und Handhaltungen werden mit den acht Himmelsrichtungen koordiniert, den vier Hauptrichtungen und den vier Zwischenrichtungen.
Energetisch findet hier der Wandel zwischen den acht Trigrammen aus dem I Ging, dem Buch der Wandlungen statt. Das Konzept und die Philosophie des Baguazhang sind auf dem I Ging begründet. Durch dieses Wandlungsprinzip wird es dem Baguaschüler möglich im Kampf schnell Bewegung und Richtung zu verändern und der Situation anzupassen, oder besser ausgedrückt der Situation einen Schritt voraus zu sein.
Bagua stellt jede Taktik auf den Kopf und macht jede Strategie des Gegners unbrauchbar, weil das Repertoire an Möglichkeiten unerschöpflich scheint und niemand wissen kann was als nächstes passiert.
Ursprung
Die Wurzeln des Bagua stammen aus den taoistischen Klöstern des Wudanggebirges und sind schätzungsweise 4000 Jahre alt. Aus den Erkenntnissen der Mönche bei einer besonderen Form der Gehmeditation im Kreis um einen brennenden Ölleuchter, sollen die Bewegungen entstanden sein.
Das Buch der Wandlungen, das I Ging, gilt als philosophische Grundlage. Das I Ging behandelt die Prinzipien des ewigen Wandels. So wandeln sich beim Kampf die Bewegungen, das Tempo und die Richtungen ständig ohne Unterbrechung.
Der Kampfkunstmeister Dong Hai Quan begann 1830 als erster Bagua so zu unterrichten wie wir es heute kennen. Er nahm nur wenige ausgewählte Schüler an. Von ihnen leiten sich die heute bekannten Stilrichtungen ab.
Bagua Training
Das Laufen im Kreis stellt eine der Haupttrainingsformen dar, mit dem der Anfänger die meiste Zeit verbringt, aber auch der Fortgeschrittene in komplexerer Form arbeitet.
Am Anfang geht es darum die spezielle Schritttechnik zu lernen. Diese wird dann mit der ersten der acht Handhaltungen kombiniert und in Schrittfolgen mit Richtungswechsel geübt. Es kommen weitere Handhaltungen und Kombinationsmöglichkeiten hinzu.
Je mehr Möglichkeiten hinzukommen, desto stärker werden das Nervensystem, die Koordination und die Kondition trainiert. Da das Training sehr wenig Platz beansprucht, kann fast überall trainiert werden. Neben den Einzelübungen gibt es auch Partnertraining, wie die Push Hands beim Tai Chi. Für ein spezielles Krafttraining gibt es auch sehr schwere klassische Waffen, die zum Teil bis zu 25 kg wiegen.
Wer einen geeigneten Lehrer finden möchte, schaut sich am besten im Internet um. Hier lassen sich mit ein bisschen Mühe Trainingsmöglichkeiten ausfindig machen.
Das Thema Baguazhang ist gar nicht so leicht zu bewältigen. Zu groß ist China und zu komplex sind die Kampfkünste, als dass man sie mit wenigen Worten zusammenfassen könnte. Die meisten klassischen Schulen des Neiquan begannen mit dem Xingyiquan, kamen dann zum Baguazhang und endeten schließlich beim Taijiquan. Taiji wurde und wird teilweise noch immer als höchste und vollkommendste Kampfart angesehen. Diese Reihenfolge erklärte sich unter anderem dadurch, dass Xingyi das direkte Agieren lehrt, Baguazhang das indirekte und Taijiquan beides verbindet. Oder anders: gerade Linie, Kreis, Vollkommenheit. Wo das Baguazhang entwickelt wurde, ist tatsächlich kaum zu sagen. Es ist wahrscheinlich kaum älter als 300 Jahre. Vor 4.000 Jahren gab es die Wudang-Klöster noch nicht, und wahrscheinlich besaß das Wudang-Gebirge selbst damals auch einen anderen Namen.
Hallo Frank,
da weißt Du definitiv besser Bescheid, als ich!
Deshalb freue ich mich, dass Du meinen Beitrag richtigstellst und ergänzt.
Vielen Dank dafür und
LG Jens
Lieber Jens, du gehörst auf jeden Fall zu denen, die zuhören können und lernen wollen. Aus diesem Grunde ist es die Pflicht der Kommentatoren, diese Arbeit von dir und deiner Gefährtin zu unterstützen. Nur so haben alle twas davon und jeder kann etwas wachsen.
Heute scheint es in Mode zu sein, eine eigene Attitüde zu haben, doch im Grunde ist es oft, dass es sich einfach um banale Allüren handelt, die das eigene Ego schmeicheln und die Ohren verkleben. Schön, dass du nicht so bist.
Das Boxen der Acht Trigramme (八卦掌)
Das Handflächenboxen der acht Diagramme, so der genaue Name des baguazhang, ist einer der am schwersten zu verstehenden und eigentlich doch so einfachen und natürlichen Stile. Der Ursprung des baguazhang ist wesentlich mühsamer zu erforschen als bei anderen Stilen. So kann man beim baguazhang nicht von einem Gründer sprechen, genauso wenig wie man bei Daoismus von einem Erfinder sprechen kann. Das baguazhang ist tief verwurzelt in der Philosophie des Daoismus. Wenn man die Wushu-Stile erforscht, besonders die, zu denen man keinen direkten Bezug mehr hat, muss man einige Dinge berücksichtigen. Es reicht nicht, die Techniken zu kopieren, da viele Bewegungen verschlüsselt sind oder auf mehrere Arten interpretiert werden können. Will man verstehen, wie der Stil entstanden ist und was sich der oder die Gründer dabei dachten, muss man das Umfeld des jeweiligen Meisters studieren. Welcher Philosophie oder Religion gab er den Vorzug, woher stammte er, woran glaubte er? Diese Dinge sind vielleicht nicht wichtig, wenn es um die reine Kampfkraft geht, doch sie sind es für das tiefere Verständnis. Ein großer Teil der Stile stammt aus dem geistigen Umfeld des Buddhismus oder Daoismus. Eine Kampfkunst wie das baguazhang zu trainieren, ohne den spirituellen Hintergrund zu berücksichtigen, wird keine guten Ergebnisse liefern. Bagua und Daoismus sind untrennbar miteinander verbunden.
Laut Überlieferung war Dong Haichuan der erste, der das Wort bagua für die Kampfart benutzt hat. Die Technik gab es jedoch früher. Er hat also den Stil nicht erfunden, wie so oft behauptet wird. Dong war ursprünglich Leiter einer Polizeistation. Später arbeitete er im Palast des Kaisers als Beamter und Diener. Er soll sich selber entmannt und danach von allen weltlichen Dingen losgesagt haben. Als Eunuch (taijian, 太监) lebte er im kaiserlichen Palast. Es gibt eine interessante Anekdote aus dieser Zeit, die einige Parallelen zur Namensgebung des okinawanischen goju ryu aufweist. Immer wenn Dong Haichuan dem Kaiser auf einem Tablett Tee brachte, lief er so schnell, dass sogar sein Zopf anfing zu flattern. Und immer wenn ihm etwas in den Weg lief, wich er blitzschnell aus, ohne dabei den Tee zu verschütten. Als der Kaiser davon hörte, bestellte er Dong zu sich und wollte von ihm wissen, was er für eine Art gongfu beherrsche. Dong Haichuan demonstrierte ihm die Technik, und als der Kaiser nach dem Namen fragte, sagte Dong Haichuan ganz spontan bagua. Das war das erste Mal, dass bagua als Name für diese Kampfkunst benutzt wurde. Man fragt sich natürlich, weshalb Meister Dong der Kunst diesen Namen gab. Vermutlich trug sie zuvor einen anderen. Es ist jedoch sehr unüblich, den Namen eines Stils zu ändern, ohne dass der alte wenigstens bekannt bliebe. Diese Begebenheit erklärt sich nur dann, wenn wir annehmen, dass Dong Haichuan, selbst wenn er das bagua nicht erfunden hatte, eben doch mehr für diese Schule tat. Wie dem auch sei, es ist nur eine Geschichte. Tatsache ist jedoch, dass es im baguazhang die Technik mei nü duan ping (美女端品, die schöne Frau trägt die Gegenstände) gibt, wobei diese Bewegung aussieht, als ob man zwei Tabletts auf seinen Händen balancieren würde. Außerdem gibt es die Trainingsmethode des Laufens auf den Pflaumenblüten (meihua zhuang, 梅花桩), wobei nur die Fußballen aufgesetzt werden. Aus diesem Grund kann man vielleicht auch auf Gemeinsamkeiten mit der Pflaumenblütenfaust (meihua quan, 梅花拳) schließen. Aber das sind nur Forschungsansätze.
Generell gilt, dass es zwar sehr alte Kampfarten gibt, aber die meisten strukturierten Kampfkünste lassen sich lediglich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Der größte Prozentsatz der heutigen Stile stammt aus dem 19. Jahrhundert. Ja, natürlich, es gibt Ausnahmen. Aber für Historiker sollte dies einen Ansatzpunkt bilden.
Lieber Frank,
vielen herzlichen Dank für Deine vertiefenden Informationen!
LG Jens