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Gnadenlose Offenheit muss nicht stimmig sein
Wer sich mit einfühlsamen Kommunikationsmodellen wie der Gewaltfreien Kommunikation beschäftigt, die viel Wert auf den Zugang und das Ausdrücken von Gefühlen und Bedürfnissen legen, meint oft, er müsse ab sofort stets sein Inneres offenlegen und dürfe nur noch die Wahrheit sagen.
Dabei können Notlügen oder ein Verschweigen bestimmter Tatsachen authentischer und stimmiger sein. Und genau da sollte der Hauptfokus eines guten Kommunikationsmodells liegen. Es sollte sich gut und stimmig anfühlen, so zu sprechen.
Wenn wir beginnen, uns mit den Grundlagen einer besseren Kommunikation zu beschäftigen, dann erfahren wir schnell, wie wichtig ein guter Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen ist. Wer nicht weiß, was er fühlt und nicht klar ausdrücken kann, was er möchte, hat nur wenig Chance, verstanden und gehört zu werden.
Leider glauben viele, dass für eine bessere Kommunikation ein gnadenloses Offenbaren des eigenen Innenlebens unumgänglich ist. Da nicht jeder über Gefühle sprechen mag und viele eine Gefühlsduselei befürchten, wird das Vorhaben sich mit einer beziehungsförderlicheren Kommunikation auseinanderzusetzen schnell verworfen. Zu groß ist die Furcht über Dinge reden zu müssen, die man nicht preisgeben will. Diese Befürchtung kann genommen werden.
Bei einer wahrhaftem Kommunikationsmodell kommt es nämlich vor allem auf Stimmigkeit an. Das, was wir sagen, muss sowohl zu uns selbst als auch zur Situation passen. Nur dann fühlen wir uns auch wohl, mit dem was wir sagen.
Selbstverständlich reden wir mit eng vertrauten Personen anders als mit flüchtigen Bekannten. Und auch im Arbeitsleben ist ein ganz anderer Ton angebracht als privat. Ein Nichtausdrücken von Gefühlen kann daher angemessener sein und eine Notlüge einfühlsamer als schonungslose Ehrlichkeit.
Manchmal sind Gefühle einfach nicht angemessen
Möchte ich momentan nicht davon sprechen, wie ich mich fühle, entweder weil ich es situationsbedingt unangemessen finde oder ich weiß, dass es sich bei meinem Gegenüber um einen „wölfisch“ denkenden Menschen handelt, kann es sich stimmiger anfühlen, das innere Erleben außen vor zu lassen.
Das nimmt vor allen denjenigen den Druck, die sich tagtäglich dem von Konkurrenz und Sachlichkeit geprägten Arbeitsleben stellen müssen. K
unde, Chef oder Mitarbeiter wären nicht ohne Grund ziemlich irritiert, wenn wir uns erkundigten, welche Gefühle und Emotionen das neue Projekt bei jedem einzelnen hervorrufe. Und auch der Busfahrer, der Imbissverkäufer an der Ecke oder ein flüchtiger Bekannten könnten mit unserer gefühlsbetonten Offenheit überfordert sein.
Solange es in vielen Bereichen des täglichen Lebens nicht üblich ist, über Gefühle zu reden, kann es eben leichter und angemessener sein, „an der Oberfläche zu bleiben“ und nicht über Gefühle zu sprechen. Vor allem dann, wenn wir uns selbst damit nicht wohlfühlen.
Eine gute Kommunikation hängt nicht von der Offenlegung der Gefühle ab, sondern vor allem auch von der empfundenen Stimmigkeit.
Eine Notlüge kann stimmiger sein
Ehrlichkeit als Tugend hat bei den meisten von uns einen hohen Stellenwert. Und wir meinen, wenn wir besser kommunizieren wollen, müssten wir gnadenlos ehrlich sein. Doch haben Sie sich schon mal überlegt, dass eine kleine Notlüge manchmal einfühlsamer sein kann, als die gnadenlose Ehrlichkeit?
Wenn ich zum Beispiel eine Ausrede erfinde, um einer Verabredung zu entgehen, kann das besser für die Beziehung zu dem anderen sein.
Was bringt es, davon zu erzählen, dass ich gerade keine Lust auf das Treffen habe und lieber gemütlich zu Hause bleiben möchte? Vor allem bei Menschen, die es gewohnt sind, Dinge persönlich nehmen und daher leicht verletzt sind, kann die kleine Notlüge sanfter wirken.
Manchmal sind Notlügen auch einfach bequemer. Ein „ich vertrage kein Fleisch“ schützt gewöhnlich vor unangenehmen Nachfragen.
Wenn wir beschlossen haben, anders zu leben als andere, helfen uns solche kleine Erfindungen, unser Verhalten nicht in stundenlangen und energieraubenden Gesprächen rechtfertigen oder erklären zu müssen – jedenfalls dann, wenn wir gerade keine Lust auf solche Gespräche haben.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Und auch das Verschweigen unserer Meinung kann einfühlsamer sein als eine schonungslose Offenlegung der eigenen Ansichten. Wir sollten daran denken, dass wir alle in Strukturen aufgewachsen sind, die es schwer machen, mit Ehrlichkeit umzugehen. Schnell fühlen sich andere verletzt und kritisiert, wenn wir offen sagen, was wir über sie denken. Und auch bei uns ist es nicht anders, wenn wir ehrlich sind.
Gerade dann, wenn wir nicht um unsere Meinung gefragt werden, kann es sinnvoller sein, einfach mal die Klappe zu halten und unsere Wahrheit für uns zu behalten. Sonst kann ein ehrlich und gut gemeintes Feedback leicht in einen handfesten Streit und einem Bruch in der Beziehung führen.
Natürlich muss man auch hier abwägen. Was bringt eine zwischenmenschliche Beziehung, in der man sich nicht traut auch mal „Tacheles“ zu sprechen? Hier sollten wir zwischen unseren einzelnen Kontakten unterscheiden.
In Partnerschaft und tiefer Freundschaft ist es durchaus wichtig Wege zu finden um miteinander ehrlich umzugehen. Doch auch dann schadet es nicht, unsere Worte einfühlsam und schonungsvoll zu verpacken.
Machen wir uns daher folgenden Satz zu unserem Motto: „Nicht alles, was in uns vorgeht, müssen wir offenbaren. Doch alles, was wir sagen, soll stimmig sein.“ Dann finden wir Schritt für Schritt zu der Fähigkeit uns ehrlich und dennoch einfühlsam mitzuteilen, dabei stimmig zu uns und zur Situation angemessen zu bleiben.
Nur keine Angst vor einer einfühlsamem Sprache. Gefühle müssen nicht immer ausgedrückt werden und kleine Notlügen sind durchaus erlaubt 😉
EIN altes Sprichwort lautet: „Gelegenheit macht Diebe.“ Es wird aber auch behauptet, daß „Diebe die Gelegenheit suchen“. Mit der Notlüge ist dies nicht anders.
Die Unehrlichkeit in ihren vielen Formen hat — wie jede einzelne unehrliche Handlung auch immer beginnen mag — ein alarmierendes Ausmaß erreicht. Manche dieser Handlungen sind so alltäglich geworden, daß viele Leute sie gar nicht mehr als unehrlich ansehen.
Auch wird oft die Ausrede gebraucht:
„EINE KLEINE UNGENAUIGKEIT ERSPART EINEM MITUNTER ZIG ERKLÄRUNGEN.“
Diese Bemerkung verdeutlicht die Einstellung vieler Menschen zum Lügen (und der Notlüge). Ihr Grundprinzip lautet: Solange keinem geschadet wird, ist es nicht verkehrt zu lügen. Eine derartige Überlegung hat sogar einen wissenschaftlichen Namen: Situationsethik. Sie besagt, daß die einzig bindende Norm das sogenannte Gesetz der Liebe ist. Anders ausgedrückt, verhält es sich gemäß der Autorin Diane Komp so, daß es nichts mache, wenn man gelogen hat, solange man dabei reinen Herzens eine gute Absicht verfolgt habe.
Ein derartiger Standpunkt ist in der heutigen Welt gang und gäbe. Die Gesellschaft ist durch Skandale erschüttert worden, bei denen es um die Lügen prominenter Politiker und anderer führender Persönlichkeiten ging. Diese Atmosphäre hat viele Menschen dahin gehend beeinflußt, daß sie es mit der Wahrheit nicht mehr so genau nehmen. Auf manchen Gebieten ist das Lügen sogar zur offiziellen Politik erklärt worden. „Man wird dafür bezahlt, daß man lügt. Man gewinnt Verkaufswettbewerbe und bekommt jedes Jahr eine enorme Gehaltserhöhung, wenn man lügt. . . . Überall im Einzelhandel scheint das die Kernaussage des Verkaufstrainings zu sein“.
Sehr treffend beschreibt Jesus Christus in Lukas 16:10 die Unehrlichkeit oder „kleine Notlüge“:
„Wer in kleinen Dingen unehrlich ist, wird auch in großen unehrlich sein.“
ein interessantes thema !
notlügen um das leben sanft zu meistern ? prinzipientreue ehrlichkeit ?
ich denke ich darf notlügen, nur eben in der not, will heissen, wenn ich damt einen schaden verhindern kann. vorallem sollte ich mir bewusst sein, dass alles zurückkommt. so wie ich mit wahrheit und lüge umgehe, werden auch andere in bezug auf mich damit umgehen. falls ich heute ohne es zu merken übers ohr gehauen werde (oder erst zu spät merke), darf ich also in aller ruhe davon ausgehen, dass ich selbst dafür die ursache gesetzt habe. z.b. habe ich in früheren leben aktiv andere getäuscht um mir vorteile zu verschaffen, im heutigen leben kann ich selber täuschungen nicht mehr erkennen !
so einfach ist das leben in seinen universellen gesetzen und seiner allumfassenden ethik. noch zu den kleinen notlügen: instinktiv/intuitiv wissen wir, ob sich etwas als stimmige lüge oder als stimmige wahrheit anfühlt.