Der Ernst des Lebens – Persönlichkeitsentwicklung mit Hilfe des Wertequadrats

Das Wertequadrat nach Schulz von Thun begleitet mich nun schon seit über 15 Jahren. Das erste Mal bin ich während meiner Fortbildung zur Mediatorin damit in Kontakt gekommen. Seither bereichert es mein persönliches Leben als auch meine Arbeit.

Für mich bietet dieses Modell des Wertequadrats erhellende Aha-Momente für die Selbsterkenntnis. Es kann uns dabei unterstützen, einen neuen Blickwinkel zu erlangen auf Verhaltensweisen oder Charaktereigenschaften, die wir an uns als belastend oder störend empfinden, die sich aber immer wieder wieder holen. Denn hinter jedem negativen Aspekt steckt immer auch etwas Positives.

Oder um es mit den Worten des Psychologen und Kommunikationsexperten Schulz von Thun auszudrücken: Hinter jeder Untugend lauert eine Tugend – die sich mit seinem Wertequadrat, auch Entwicklungsquadrat genannt, leicht entdecken lässt.

Wenn uns dieser Perspektivenwechsel gelingt, hilft das, uns selbst besser zu verstehen und die Ist-Lage mehr anzunehmen, was die Grundvoraussetzung dafür ist, dass Veränderung geschehen kann.

Die Theorie hinter dem Wertequadrat nach Schulz von Thun habe ich in diesem Artikel ausführlich erläutert. Heute möchte ich gerne anhand eines eigenen Beispiels zeigen, wie sich das Modell praktisch anwenden lässt.

Der Ernst des Lebens

Gelegentlich fällt mir auf, wie ernst ich doch alles nehme. Und ich meine damit nicht die großen Sachen von Welt, sondern die kleinen, alltäglichen Dinge, die streng genommen eigentlich als Banalitäten gewertet werden könnten.

Wenn das Auto zum TÜV muss, im Haushalt die Elektrik streikt, es beruflich eine Deadline einzuhalten gilt oder auch nur, wenn Besuch kommt, den ich ver­wöhnen möchte. Ich nehme das alles furchtbar ernst und wichtig. Ich stresse mich also selbst, um die Angelegenheit so schnell bzw. so gut wie möglich zu erledigen.

Was dabei leider allzu oft auf der Strecke bleibt, ist der Humor – oder anders ausgedrückt die Freude am Leben. Mir fehlt in solchen Dingen ein­fach eine Prise Leichtigkeit und Gelassenheit. Und das muss nicht sein.

Weil sich dieses Verhaltensmuster durch mein Leben zieht und immer wieder zu wiederholen scheint, habe ich entschieden mit Hilfe des Wertequadrats-Modell, das der Kommunikationsexperte Schulz von Thun entwickelt hat, zu erforschen, was hinter diesem Muster stecken könnte.

Vorab noch mal zusammenfassend ein paar Worte über das Modell.

Überblick über das Wertequadrat nach Schulz von Thun

Beim Wertequadrat nach Schulz von Thun wird als Grundannahme davon ausgegangen, dass hinter jeder sogenannten ent­arteten Eigenschaft eine sinnvolle Komponente steckt, egal wie belastend, beschwerend, blockierend oder unangenehm sie sich auch anfühlen mag.

So verbirgt sich zum Beispiel hinter einem Geizhals die wertvolle Fähig­keit des Sparen-Könnens; in der Feigheit steckt die wachsame Vorsicht und hinter dem laut brüllenden und dominanten Chef, ein Mensch, der sich durchzusetzen weiß. Hinter allem „Schlechten“ steckt also auch etwas „Gutes“.

Schulz von Thun hat dabei herausgefunden, dass die an sich wertvolle, sinnhafte bzw. gute Eigenschaft erst dann zu einer Art „Über“-Eigenschaft (also zum zu viel des Guten wird), wenn man den Bezug zum anderen Ende des Poles verloren hat.

So gehört zur Sparsamkeit eben auch die Fähigkeit, Geld sinnvoll auszu­geben, sonst verrutscht die Sparsamkeit leicht in den Geiz. Und ohne die Fähig­keit sparsam mit seinem Geld umzugehen, gerät man schnell in die Ver­schwendung.

Jede Eigenschaft braucht also ihren Gegenpol, damit sie nicht in ein Extrem abrutscht und damit zu viel des Guten an den Tag legt.

Zurück zu meinem Beispiel

Mit diesem Hintergrund habe ich mich dann also gefragt: Warum nehme ich alltägliche Angelegenheit oft so schwer, so ernst und verschließe mich dabei Qualitäten wie Humor, Gelassenheit und Leichtigkeit? Warum kann ich das leben nicht ein wenig leichter nehmen und so mehr Lebensfreude erfahren?

Zunächst einmal wurde mir sehr schnell klar, dass ich ein ernsthaftes Vorgehen generell als wertvoll betrachte. Wer ohne eine gewisse Ernsthaftigkeit an ein Vorhaben heran geht, rutscht meiner Meinung nach schnell in eine Art Soft-Variante und erledigt die Dinge nicht so gewissenhaft, wie es meines Erachtens sinnvoll ist.

So wurde mir klar, dass ich insgeheim ziemliche Furcht davor habe, zu lässig oder zu soft sein. Ich fürchte, wenn ich zu gelassen an die Sache herangehe, eine Art Gleichgültigkeit und damit einhergehend einen Motivationsverlust. Daher mein Ernst.

Problematisch ist aber, dass dadurch, dass ich mich insgeheim so sehr vor dieser Eigenschaft der Lässigkeit fürchte, zu viel des Guten beim Thema Ernsthaftigkeit an den Tag lege und mir dabei, wie gesagt, die das Leben bereichernde Prise Leichtigkeit und Gelassenheit verloren geht.

Es ist typisch, dass wir dort, wo wir dazu tendieren eine Eigenschaft zu extrem auszuleben, den Gegenpol fürchten.

Oben im Wertequadrat stehen die zwei an sich wertvolle Eigenschaften nur mit umgedrehten Vorzeichen. Verliert man die Balance zwischen beiden, rutscht man schnell in die unteren Extrema. Wer zu einem Extrem neigt, dem fehlt eine Prise der oberen, diagonalen Eigenschaft und fürchtet sich oftmals vor dem Abrutschen zum anderen Extrem.

Ich mit meiner übertriebenen Ernsthaftigkeit fürchte mich also vor einer Alles-egal-Haltung. Mir fehlt eine Prise Gelassenheit und Humor.

Wozu hilft die Erkenntnisse des Wertequadrats nach Schulz von Thun?

Nun gut, nachdem mir also klar geworden ist, was mir fehlt, habe ich mein Augenmerk verstärkt auf die Situationen gerichtet, in denen ich mal wieder zu ernst wurde, mir also auffiel, dass mir die Freude am Leben verloren ging.

Ich habe dann ein paar Momente tief durchgeatmet und mir zunächst einmal Ver­ständnis bzw. Einfühlung für mein Verhalten gegeben und in etwa folgende Worte an mich gerichtet:

„Okay, ich sehe, ich gehe mal wieder zu ernst an die Sache heran. Das rührt jedoch nur daher, dass ich insgeheim, wahrscheinlich durch meine Kindheit ge­prägt, sehr viel Furcht vor einer zu lässigen Haltung habe.

Ja, ich habe Angst davor, dass die Dinge, die man zu lässig oder zu albern angeht, nicht so gut oder so effizient wie möglich gemacht werden. Das würde ich sehr schade und als eine Art Verschwendung ansehen.

Aber ich weiß auch, dass ein gesundes Maß an Ernsthaftigkeit ohne eine Prise Humor oder Leichtigkeit sehr schnell in bitteren Ernst bzw. eine Art Verbissenheit umschlägt. Das nimmt mir nicht nur die Lebensfreude, sondern verhindert ebenfalls, dass ich die Dinge so gut mache, wie ich eigentlich könnte.

Was ich brauche, ist also etwas mehr Gelassenheit. Könnte ich vielleicht etwas humorvoller an die Sache herangehen? Ist das Leben nicht viel zu schade, um es mir durch meinen Überernst zu vermiesen?“

Diese Gedanken helfen mir, mich auf darauf zu besinnen, dass an sich jeder Moment des Lebens, der ohne Freude verbracht wird, eigentlich verschwendet ist. Dadurch gelingt es mir immer öfter, die Dinge etwas leichter und humor­voller zu nehmen.

Das entlastet mich, führt mich wieder zu mehr Lebensfreude und wirkt sich auch für mein nahes Umfeld viel besser aus, da so aus einer ge­stressten und überforderten Marion eine etwas entspanntere und gelassenere Person wird.

Für mich jedenfalls ist die Arbeit mit dem Wertequadrat zu einem interessanten Werkzeug auf meinem Weg der Entwicklung und bei der Beratung von anderen geworden.

Vielleicht ist es ja auch für Dich erhellend und bereichernd das Prinzip des Wertequadrats zu nutzen für mehr Selbsterkenntnis und Selbstannahme? Und falls Du schon Erfahrungen damit gemacht hast, freue ich mich über einen Kommentar!

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 18. August 2012 und wurde zuletzt überarbeitet am 20. Februar 2023.

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